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15.04.2020

Klartext: Virus vivendi

Wie Corona uns Menschen möglicherweise zur Vernunft bringt
Von Wulf Mämpel | Stellv. Chefredakteur | LION April 2020

Ja,  ist  es  denn  möglich?  Ein  Virus  holt die  verkabelte  Menschheit  zurück  auf den Boden der Realität. Wir haben wie-der einmal lernen müssen, dass wir nur ein  Teil  der  übermächtigen  Natur  sind, auch wenn wir schon glaubten, die Natur besiegt zu haben. Weit gefehlt! In Zeiten einer Pandemie zeigt es sich, wo unsere Grenzen liegen. Vor langen Zeiten hätten  wir  geklagt:  Die  Götter  strafen  die Menschen für ihren Ungehorsam, ihren Überfluss  und  die  Umweltzerstörung! Das ist vorbei, obwohl …

Der  Mensch  ist  plötzlich  bereit,  seine  Ansprüche  wieder  zurückzustecken. Denn  das  egoistische  Munterdrauflos und das Wassollmirschonpassieren erleben  derzeit  einen  gewaltigen  Dämpfer. Die Räder stehen weltweit still. Staunend steht der Mensch vor seinen technischen, wirtschaftlichen und weiß der Kuckuck hervorragenden  anderen  Leistungen – und  muss  doch  erkennen,  wie  verletzlich er immer noch ist. Ein Virus macht es möglich. Es holt uns derzeit vom Sockel der Überheblichkeit.

Das  Leben  mit  dem  Virus  führt  zu typischen Reaktionen: Hätte man nicht … müsste man nicht … Die Angst geht um,  und  mit  ihr  macht  sich  sofort  die Vorwurf-Panik breit, in der Dilettanten das  Wort  führen.  Vielleicht  gelingt  es dem Virus aber auch, dass wir zu neuen Denkanstößen zurückzukehren, zu einer Wende,  zu  einer  neuen  Form  des  Humanismus in unserer globalisierten Gesellschaft, die aus den Fugen zu geraten scheint. Das würde Sinn machen. Doch hat  der  Mensch  aus  den  vergangenen Seuchen – Pest, Cholera, Typhus, Syphilis usw. – gelernt? Nur für eine kurze Zeit vielleicht,  dann  hatte  der  alte  Schlendrian  die  Tagesordnung  zurückerobert. Zu allen Zeiten blieb die Solidarität, die wir jetzt so intensiv beschwören und allen Bürgern abverlangen, auf der Strecke. Die Frage also: Kann denn das bodenlose „Immer mehr“ wirklich das wichtigste Ziel in unserem Dasein sein? Wäre nicht diese Variante besser: Kooperation statt Egoismus? Demut statt Überheblichkeit. Anteilnahme statt Wegsehen. 

Der  Überfluss  in  unserer  modernen  Wegwerfgesellschaft  weicht  vielleicht  diesmal  einer  Verantwortung  für die,  die  den  neuen  Geschwindigkeiten unterlegen sind. Endlich schweigen einmal  die  Besserwisser  und  Kritikaster, die  Stammtischschwätzer  und  Extremdenker.  Wir  müssen  nicht  vor  der  Allmacht  des  Unbekannten  auf  die  Knie gehen,  aber  wir  könnten  mehr  Respekt entwickeln  vor  den  Problemen  anderer, wir könnten verschüttete Werte wiederentdecken und wir könnten – wie es die Lions weltweit seit über 100 Jahren tun – zupacken, wenn Not am Mann ist. Not macht bekanntlich erfinderisch.  

Jedenfalls setzt diese Krise mit einem Mal  ungeheure  Kräfte  frei.  Milliarden werden plötzlich eingesetzt, um die Wirtschaft zu stärken und um das Chaos zu minimieren. Und doch kommt es zu den typischen  Äußerungen  in  den  Medien und im Netz: Es sind immer die, die alles besser wissen, besser können und sich in ihrem  eigenen  „Immerschlimmerismus“ sonnen. Sie sind keine wirklichen Krisenbewältiger, sondern allenfalls Brandstifter und Katastrophenbeschwörer. 

Wenn  wir  das  Virus  besiegt  haben, wird  vielleicht  eine  neue  Ära  beginnen. Eine Zeit des respektvollen Miteinanders und Verstehens und einer neuen Bescheidenheit. Der Tanz um das Goldene Kalb ist zunächst einmal vorbei. Die Verfechter des  rücksichtslosen  Wachstums  und  der Gier nach mehr sollten erkennen, dass es endlich Zeit ist, dass jeder Einzelne seiner Verantwortung für sich, für sein Umfeld  und  das  große  Ganze  auf  unserem schönen  Erdball  gerecht  werden  muss. Die Bäume wachsen eben doch nicht in den  Himmel,  auch  wenn  die  Heilsbringer es uns immer wieder ins Ohr flüstern. Die Corona-Krise könnte beweisen, wozu eine moderne Gesellschaft wirklich fähig ist,  um  in  Frieden,  Freiheit,  Wohlstand und Würde zu leben.

Wulf Mämpel

April 2020  LION






 
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